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Berti Vogts schlägt Alarm: Die Bundesliga sollte England zum Vorbild nehmen


Vogts schlägt Alarm
Die Bundesliga sollte England zum Vorbild nehmen

MeinungEine Kolumne von Berti Vogts

Aktualisiert am 09.07.2019Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Berti Vogts sorgt sich um das Ansehen der Bundesligatrainer.Vergrößern des Bildes
Berti Vogts sorgt sich um das Ansehen der Bundesligatrainer. (Quelle: imago-images-bilder)

Ein Thema brennt Berti Vogts unter den Nägeln: Die Situation der Bundesligatrainer, die immer kürzer im Amt bleiben. Dies führt er auf die Struktur vieler Klubs zurück. Ein hausgemachtes Problem für das er Lösungen liefert.

Ich möchte die Sommerpause nutzen, um auf ein – aus meiner Sicht – enorm wichtiges Thema für die Zukunft des deutschen Vereinsfußballs hinzuweisen. Die Situation der Bundesligatrainer ist höchst bedenklich. So sehr, dass ich heute keinen Vertrag mehr als Bundesligatrainer unterschreiben würde. Und ich bin mir sicher, dass einige meiner erfolgreichsten Kollegen wie zum Beispiel Hennes Weisweiler, Otto Rehhagel, Udo Lattek oder Ernst Happel das auch nicht tun würden. Ich will Ihnen erklären, warum.

Die Trainer haben zu wenig Macht

Das größte Problem und die Wurzel allen Übels ist meiner Meinung nach, dass den Trainern die Macht fehlt. Nur die wenigsten haben wirklich noch einen Einfluss auf die Zusammenstellung des Kaders – dabei ist sie meiner Erfahrung nach die häufigste Ursache für eine sportliche Krise.

Ich würde sogar sagen: Sieben Trainerwechsel gab es während der abgelaufenen Saison. Keiner dieser Trainer hatte wirklich Schuld an der Misere seines Klubs.

Die Struktur vieler Vereine wird immer komplizierter. Standardmäßig gibt es einen Sportvorstand, einen Sportdirektor, einen Kaderplaner – und dann irgendwann kommt in der Hierarchie der Trainer. Wenn er Glück hat, an vierter Stelle. Gleichzeitig ist er aber der Erste, der für Misserfolge verantwortlich gemacht wird und seinen Job abgeben muss. Merken Sie etwas?


Natürlich funktioniert der Fußball heutzutage nicht mehr als One-Man-Show. Alle diese Posten haben möglicherweise ihre Berechtigung – aber oben in der Hierarchie sollte der Trainer stehen.

Sonst passiert zum Beispiel Folgendes: Ich höre immer häufiger von aktuellen Trainern, dass Spieler verpflichtet werden, für die sie in ihrem taktischen System überhaupt keine Verwendung haben oder von denen sie sportlich nicht überzeugt sind. Das ist falsch.

Den Trainern fehlt die Rückendeckung

Das zweite Problem leitet sich von der fehlenden Macht ab: Die Trainer stehen heutzutage viel zu schnell in der Schusslinie – sowohl bei den eigenen Anhängern als auch in den Medien.

Bei den Fans kann ich das durchaus nachvollziehen. Die kommen ins Stadion, weil sie Siege sehen wollen – und je nach Anspruch des Vereins auch attraktiven Fußball. Wenn der Erfolg ausbleibt, entlädt sich der Ärger traditionell eben zuerst auf den Trainer, weil er meist das prominenteste Gesicht des Vereins ist. Daraufhin greifen es auch die Medien auf.

Die Verantwortlichen müssten aber doch wissen, dass die Probleme meist viel komplexer sind – und häufig in der Zusammenstellung des Kaders liegen. Das heißt, sie müssten ihren Trainer gegen Rauswurfforderungen und negative Schlagzeilen beschützen. Das passiert aber viel zu selten, weil die Vorstände, Sportdirektoren und Kaderplaner natürlich um ihren eigenen Job bangen. Jede Entschuldigung für den Trainer bedeutet ja gleichzeitig das Eingeständnis eines eigenen Fehlers.

Trainer haben kaum noch Zeit

Daraus ergibt sich aber direkt das nächste Problem: Trainer geraten durch die mangelnde Rückendeckung in der Öffentlichkeit sehr schnell unter Druck. Sobald dieser von den Verantwortlichen als zu groß empfunden wird, werden sie entlassen. Die durchschnittliche Amtszeit eines Bundesliga-Trainers liegt derzeit bei ungefähr 18 Monaten. Damit werden sie der Möglichkeit beraubt, eine langfristige sportliche Entwicklung überhaupt voranzutreiben – und der Teufelskreis des Trainer-Daseins in der Bundesliga ist perfekt.

Die Spieler verlieren den Respekt

In der Kabine bleibt so eine Entwicklung natürlich nicht folgenlos. Ein Trainer ist nie der Freund von allen 23 oder 25 Spielern im Kader. Es gibt immer Spieler, die mit dieser oder jener Entscheidung nicht zufrieden sind. Oder die einfach wütend sind, weil sie nicht regelmäßig spielen.

Wenn die Spieler nun aber immer häufiger merken, dass ihr Trainer sowieso nur eine vorübergehende Erscheinung ist – dann wird ihnen ein Alibi geliefert und die Verantwortung für das sportliche Abschneiden genommen.

Wir sollten von Klopp und Pep lernen

Als Lösung kann ich mich nur noch einmal wiederholen: Der Erfolg des englischen Fußballs liegt nicht nur in ihrem finanziellen Vorteil begründet. Auch ihr Modell des Teammanagers, dem alle anderen Abteilungen des Vereins untergeordnet sind, ermöglicht für mich am ehesten eine langfristige sportliche Entwicklung.

Der Trainer sagt, welche Spieler er verpflichten will und welche Philosophie er mit der Mannschaft durchsetzen will – und daraufhin wird ein Kaderplaner erst aktiv. Ein musterhaftes Beispiel dafür sind die Entwicklungen des FC Liverpool unter Jürgen Klopp oder von Manchester City unter Pep Guardiola.


So eine Reform der Rolle des Trainers müsste meiner Meinung nach der Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) anstoßen. Doch außer gelegentlichen öffentlichen Äußerungen bekommt man von dem Verband leider wenig mit. Es bräuchte eine große öffentliche Kampagne zugunsten der Trainer.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich machen Trainer auch Fehler. Menschen machen Fehler. Es kommt zu falschen Einwechslungen, falsch gewählten Systemen, einer unglücklichen Ansprache. Aber ein Trainer kann eben auch nur damit arbeiten, was ihm zur Verfügung steht – das vergessen wir zu häufig.

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